Trauer um Jens Stubenrauch Nachruf
Trauer um Jens Stubenrauch Nachruf
Trauer um Jens Stubenrauch.
Eine Nachruf von Annekatrin Hendel
Jens Stubenrauch war ein neugieriger und mutiger Redakteur, Autor und Regisseur. Von seinem rbb-Büro in Babelsberg aus hat er das Kino mitgeprägt. Er hat vielen Filmemacher*innen ermöglicht, der deutsch-deutschen Wirklichkeit kostbare Dokumentarfilmstoffe zu entreißen und sie auf die große Leinwand zu bringen.
Am 8. Oktober 2024 ist er im Alter von 63 Jahren gestorben.
Ich notiere diesen Satz und kann es gar nicht glauben.
Als wir von Jens Stubenrauchs Tod erfahren, sitzen wir mitten im Schnitt von HIDDENSEE, bereiten die nahenden Festivalpremieren für ICE AGED und DREAMING DOGS vor, freuen uns über die Präsenz unseres UNION-Filmes in der ARD-Mediathek… Jens, das sind alles unsere gemeinsamen Filme…
Und auch die zwei Stoffe, die wir zusammen angedacht, die du schon auf die richtige Schiene gesetzt hast, mit denen stehen wir doch erst am Anfang…
Alle, die ich treffe, sind über die Nachricht seines schnellen Todes nach kurzer Krankheit tief bestürzt, wir alle können es nicht glauben.
Wir verlieren einen Menschen, der mit offenen Sinnen in die Welt geschaut hat, der diese aber auch bis in die letzten Winkel bereiste und mit grandioser Freundlichkeit auch ein enormes Wissen in unsere Schneideräume mitbrachte. Einen, mit dem jede Auseinandersetzung eine intellektuelle Herausforderung war, wie man sie sich besser nicht wünschen kann, der Konflikte nie scheute, der aber auch besonnen mit ihnen umgehen konnte. Mit dem man aus vollem Halse lachen und viele Geheimnisse teilen konnte. Kurz: mit Jens Stubenrauch konnte man Pferde stehlen. Und das haben wir auch gemacht.
Vor 20 Jahren beginne ich Filme zu produzieren, mit der Absicht, den Zuschreibungen für uns Ostdeutsche etwas entgegenzusetzen und einen neuen Blick in die deutsche Filmlandschaft mit zu installieren. Das dies 2005 in Angriff genommen werden kann, verdanke ich dem Vertreter einer rbb-Redakteurin, der einen verborgenen Kino Fördertopf in seinem Sender ausfindig macht und damit den Startschuss für unseren ersten seriös finanzierten Kino-Dokumentarfilm gibt. Was für ein Wunder, denn wer vertraut schon einer späten Quereinsteigerin? Die Wunder gehen weiter, dieser Vertreter bleibt im Sender, und ja, es ist Jens Stubenrauch. Er ermuntert mich dazu, auch selbst Regie zu führen.
ANDERSON, FAMILIE BRASCH, ÜBER LEBEN IN DEMMIN, SPACE DOGS, SCHÖNHEIT & VERGÄNGLICHKEIT, UNION-DIE BESTEN ALLER TAGE, DREAMING DOGS bringen wir gemeinsam auf die große Leinwand, auf Festivals und neben vielen kleineren Fernsehstücken, auch in die deutschen Wohnzimmer.
Zuverlässiger Partner ist er aber nicht nur für mich, sondern auch für viele andere Filmkünstler*innen wie Rosa von Praunheim, Jeanine Meerapfel, Jan Peter und Sandra Naumann, Martin Farkas, Maria Wischnewski, Tom Franke, Elsa Kremser und Levin Peter, um nur einige zu nennen.
Wir alle verlieren nicht nur einen hoch gebildeten Redakteur. Er liebte persönliche Filme, die aus dem Standpunkt des Autors und der Regisseurin hervorgehen, ließ uns über ästhetische, dramaturgische und politische Haltungen selbst entscheiden, gab uns die künstlerische Freiheit, die wir brauchten, um Filme immer wieder neu denken zu können – auch, wenn Experimentierfelder immer wieder ersatzlos wegbrachen. Er besaß das Talent, mit allen zu können und angstfrei Projekte durchzusetzen. Er verlangte nie etwas, was von vornherein auf Kompromiss aufgebaut ist, er glaubte an das Kino und daran, dass die Zuschauer auf unsere Filme warten.
Wir verlieren einen Partner, Komplizen, Vertrauten, Gefährten, Mittäter und einen Freund.
Es ist ein auf allen Ebenen nicht zu verschmerzender Verlust.
Was dies für die Familie bedeuten mag, ist nicht vorstellbar. Und so bleibt nichts anderes übrig als darauf zu hoffen, dass geteilter Schmerz ein halber wird und den Liebsten von Jens Stubenrauch mein herzliches Beileid zu wünschen.
Danke lieber, lieber Jens. Ich verneige mich,
Annekatrin.
Fotos Martin Farkas und Nadia Saini